Freundschaften

Gute Freunde sind Gold wert. Gute Freunde sind wie das Salz in der Suppe. Gute Freunde halten zusammen.

Es gibt viele Klischees, romantische Verklärungen und kitschige Sprüche zum Thema Freundschaft. Doch auch wenn man das Ganze etwas nüchterner betrachtet: gute Freunde sind wichtig. Wir verbringen Zeit mit ihnen, sie prägen uns, macht wächst an- und miteinander. Gute Freunde nehmen einen an, wie man nunmal ist. Sie sprechen aber auch Schwierigkeiten oder Gefahren an.

Ich kann mich trotzdem nicht daran erinnern, aktiv und gezielt Freunde gesucht zu haben. Meistens ergab sich das irgendwie aus dem sozialen Kontext. Da sind halt andere Kinder im Kindergarten oder in der Klasse. Mit manchen versteht man sich ganz gut, man trifft sich. Hingegen habe ich mir sehr oft, wenn ich in eine neue Gruppenkonstellation gekommen bin, wirklich gewünscht, eben *keine* neuen Freunde zu finden. Ich habe schon lange das Gefühl, meinen Freunden viel zu wenig gerecht zu werden. Meine knappen Ressourcen auf noch mehr Menschen verteilen zu müssen – schwierig.

Ich erinnere mich, dass ich im Kindergarten einen besten Freund hatte. Ich weiß noch ungefähr, wie er aussah und dass wir zusammen im Urlaub waren. Was wir aber gespielt haben oder wie der Urlaub war, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur daran: er hatte ein Playmobil Piratenschiff, dass ich unfassbar faszinierend fand. Und im Urlaub waren wir einige Male in einem Indoor Spielplatz. Ich weiß nicht mehr, was man dort machen konnte, ich erinnere mich nur an den Geruch, den ich als Kind als furchtbar empfand. Er zog irgendwann weg. Ich habe ihn nie wieder gesehen.

In der Grundschule bin ich in Freundschaften mit furchtbar toxischen Mädchen geraten. Die eine war etwas älter und wir haben viel Zeit miteinander verbracht. Wir haben Barbie gespielt, uns um ihr Meerschweinchen gekümmert, Gummitwist gespielt oder Musik gehört. Meistens lief das gut. Doch immer wieder hat sie mich gezielt verarscht, mich belogen, versetzt oder andere gegen mich aufgehetzt. Ich habe so oft geweint, weil ich einfach nicht wusste, was ich falsch gemacht habe. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand absichtlich gemein sein könnte. Klar, man streitet sich, aber wer würde jemand anderem absichtlich schaden?

Das Schlimmste in Verbindung mit dieser Freundin war etwas, das ich mit ihr zusammen getan habe. Es gab ein weiteres Mädchen in der Nachbarschaft. Manchmal spielten wir zu dritt, manchmal zwei von uns. Zu dritt war es oft so, dass die beiden anderen sich gegen mich verbündeten und beim Spielen gemeinsam gegen mich operierten. Einmal jedoch kam die erste auf die Idee, der anderen einen Hassbrief zu schreiben. Wir schrieben die furchtbarsten Beleidigungen auf hässlichste Art und Weise auf, verpackten das Ganze in einen mit Herzchen und Blumen verzierten Umschlag und warfen es in ihren Briefkasten. Ich schäme mich noch heute für diese Grausamkeit.

In der weiterführenden Schule hatte ich eine Freundin, mit der es eher problemlos lief. Wir hatten viele ähnliche Interessen, verstanden uns gut und stritten kaum. Das war relativ entspannt, auch wenn ich manchmal den Eindruck hatte, dass sie mir nicht immer die Wahrheit sagte. Irgendwann jedoch freundete sie sich mit einem anderen Mädchen an. Das war für mich gar kein Problem, schließlich hatten die beiden noch mehr gemeinsam und konnten die Girlie-Vibes (schrille Stimmen, Bussi-Geben usw) zusammen ausleben. Immer wenn die andere kam, war ich komplett abgemeldet. Ich fand das gar nicht so schlimm, ich fand es logisch.

Eine Klassenkameradin jedoch beobachtete das und ich tat ihr leid. Wir hatten bis dato ein kameradschaftliches Verhältnis gehabt, das sich nun schnell intensivierte. Wunderbar war, dass wir uns über ähnliche Dinge Gedanken machten, uns gut austauschen konnten und an geistig tiefsinnigem Austausch interessiert waren. Jedoch gab es immer wieder Phasen, in denen sie sich von mir distanzierte, weil ich ihr nicht genug emotionale Nähe geben konnte. Ich rief nie von mir aus an, ich wollte mich nicht immer treffen, ich zeigte ihr meine Zuneigung nicht auf die richtige Art und Weise. Sie hatte zunehmend psychische Probleme und irgendwann wurden die Konflikte zwischen uns zu groß.

Die toxischste Beziehung hatte ich mit einer Narzisstin. Ich sage das nicht einfach so. Sie war diejenige, die mir sagte, dass sie Narzisstin sei. Damals wusste ich damit jedoch nichts so recht zu verbinden und so schlidderte ich dort hinein. Niemand hat mich jemals mehr mental ausgesaugt, als sie. Ich mochte sie sehr gerne, wollte für sie da sein und ihr helfen. Solange ich ihre Bedürfnisse befriedigte, war auch alles „gut“. Als ich ihr jedoch an einer bestimmten Stelle klar machte, dass sie meine Gefühle verletzt hatte, wandelte sich das Bild. Neben heftigstem Gaslighting kamen Stück für Stück mehr direkte Beleidigungen unterster Schublade auf den Tisch, sodass ich den Kontakt schließlich abgebrochen habe.

Bis heute fällt es mir extrem schwer, einzuschätzen, ob mich jemand mag oder nur so tut. Und doch habe ich heute auch einige wirklich gute Freundinnen in meinem Leben. Menschen, die für mich wirklich Gold wert sind. Menschen, die für mich da waren und sind. Die meine Schwächen annehmen, mich nicht dafür verurteilen und auch ihre Schwächen vor mir zeigen. Bei denen es vollkommen okay ist, sich Wochen oder Monate nicht zu melden. Und wenn man dann wieder Kontakt hat, ist es, als hätte man gestern erst zusammen einen Kaffee getrunken.

Ich suche nicht aktiv nach Freundschaften. Und doch bin ich unendlich dankbar für kostbare Menschen in meinem Leben. Mit denen ich gemeinsam wachsen darf. Vor denen ich ehrlich sein kann und stehen gelassen werde. Die mich in Liebe annehmen und korrigieren. Solch ein Mensch möchte ich auch für andere sein.


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2 Antworten zu „Freundschaften”.

  1. Avatar von Pierre Herrmann

    „dankbar für kostbare Menschen in meinem Leben. Mit denen ich gemeinsam wachsen darf. Vor denen ich ehrlich sein kann und stehen gelassen werde. Die mich in Liebe annehmen und korrigieren. Solch ein Mensch möchte ich auch für andere sein.“

    genau das ist echte Freundschaft. Das zu erkennen und darauf zu vertrauen ist nach all deinen schlechten bis grausamen Erfahrungen ein bedeutender Reifegrad. Ich hoffe indem das Vertrauen wächst, kannst du die Furcht überwinden und das nagende Gefühl hinter dir lassen, dass hinter jeder netten Geste ein Täuschungsmanöver stecken könnte.

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    1. Avatar von alienmother

      Danke, das hoffe ich auch 🙂

      Denkmuster zu ändern ist ein langwieriger Prozess. Und es braucht meist sehr viele gute Erfahrungen um (auch nur wenige) schlechte Erfahrungen „auszugleichen“. Aber es irgendwo muss man ja anfangen.

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