In letzter Zeit hatte ich immer mal wieder sehr seltsame Gedanken. Bisher habe ich mit niemandem darüber gesprochen und hoffe, hier meine Gefühle ein Stück weit sortiert zu bekommen. Keine Ahnung, ob dieser Text also irgendwo hin führt.
Ich bin eine heterosexuelle cis-Frau. Ich bin gerne eine Frau. Ich war schwanger, habe Kinder geboren und gestillt. Ich mag den weiblichen Körper, fühle mich sexuell aber nicht zu Frauen hingezogen. Es gibt viel, das ich an meinem Körper nicht so schön finde, lerne aber immer besser, diese Dinge zu akzeptieren und mich mehr anzunehmen. Grundsätzlich bin ich eher zufrieden mit meinem Aussehen. Trotzdem habe ich seit einiger Zeit immer wieder Gedanken an eine Mastektomie.
Irgendwie fing es damit an, dass ich etwas in meiner Brust ertastet hatte. Etwas besorgt setzte ich mich mit dem Thema Brustkrebs auseinander. Beide meiner Großmütter hatten Brustkrebs. Eine ist daran relativ früh verstorben, die andere hatte es viel später und mit OP und Bestrahlung eine erfolgreiche Therapie. Jedenfalls beschäftigte mich in Folge dessen auch die Möglichkeit, eine oder beide Brüste zu verlieren. Interessanterweise fand ich diesen Gedanken dann gar nicht so furchtbar.
Was auch immer ich da ertastet hatte, es war so schnell weg wie es gekommen war und meine jährliche gynäkologische Krebsvorsorge bescheinigte mir (zumindest in dieser Hinsicht) beste Gesundheit. Dennoch poppt immer mal wieder der Gedanke auf: „Wenn ich Brustkrebs hätte, würde ich am liebsten direkt alles radikal wegschneiden lassen.“ Ich hätte wirklich keinen Bock auf eine Teilentfernung an einer Brust, die resultierende Asymmetrie, die „fürsorglichen“ Hinweise auf eine „Rekonstruktion“ und schon gar nicht auf die Ungewissheit („was, wenn es wiederkommt?“).
Aus diesen eher pragmatischen Erwägungen wird jedoch langsam so etwas wie ein Wunsch, keine Brüste mehr zu haben. Warum??? Gleichzeitig setze ich mich auch schon seit ähnlich langer Zeit mit der Frage auseinander, ob ich eine Endometriumablation durchführen lassen sollte. Ich habe schon immer eine sehr starke Regelblutung (pro Zyklus verliere ich 300-500ml Blut). Das ist nicht nur übel für den Hb, sondern auch extrem nervig. Mit meiner Menstruationstasse bin ich zwar deutlich weniger eingeschränkt, als mit Tampons, aber alle 1,5-2,5h das Dinge ausleeren zu müssen, limitiert den Bewegungsradius schon.
Viele Frauen würden die Hormonspirale der Ablation vorziehen und eine Mastektomie ist für die allermeisten der blanke Horror. Für mich ist der Gedanke daran seltsamerweise irgendwie „befreiend“(?). Ich bin eine Frau und will es auch sein. Doch die starken Blutungen schränken mich stark ein und ich hasse es, wenn Männer mir auf die Brüste schauen. Sex ist für mich momentan sowieso ein schwieriges Thema.
Ich war noch nie „stereotypisch weiblich“. Die allermeisten Dinge, die „Mädchen eben so machen“, waren eher nichts für mich. Hingegen habe immer schon sehr gerne Freundschaften mit Jungen und Männern gepflegt. Die Spiele, die Themen, der Umgang (solange es kein Alpha-Male-Macho-Gehabe war) – waren mir um so vieles lieber, als das Girlie-Getue. Außerdem habe ich es schon immer als zutiefst ungerecht empfunden, dass man „als Mädchen manche Dinge eben nicht macht“. Wieso darf ich nicht im Dunkeln alleine nach Hause laufen wie meine Brüder? Warum kann ich nicht anziehen, was ich will und mir gefällt? Weshalb sollte ich gut oder schlecht in etwas sein, nur weil ich ein Mädchen bin? Ich habe sehr oft geträumt, ich wäre ein Junge/Mann.
Bin ich also nicht-binär? Ich denke nicht. Vielleicht ist es eher mein autistischer Pragmatismus. Auch ohne Periode oder sichtbare Brüste bin ich eine Frau. Es gibt genug Frauen, die so wenig Oberweite haben, dass sie von bösen Zungen als „Brett“ bezeichnet werden. Natürlich sind sie deswegen kein Stück weniger weiblich. Gleiches gilt freilich für Frauen jenseits der Menopause und alle anderen, die aus unterschiedlichsten Gründe keine Blutung (mehr) haben. Es wäre so eine Erleichterung, nicht mehr permanent meinen Zyklus im Blick haben zu müssen und keinen BH mehr tragen zu müssen (ja, ich weiß, ich muss das auch jetzt nicht, aber ich hasse das Gefühl beim Laufen und erst recht Rennen, wenn alles rumschlackert).
Kein*e Ärzt*in wird mir zwei gesunde Brüste abschneiden und ich würde das auch derzeit nicht anstreben. Und Krebs will ich natürlich eh nicht. Die Ablation jedoch erscheint mir sinnvoll und hilfreich. Ich hoffe, ich schaffe es, das ernsthaft in Angriff zu nehmen. Bisher habe ich es nicht geschafft (Klinik anrufen, vorstellig werden, Termine zur Absprache, Überweisung von Gyn für Klinik, Arbeit usw). Letzten Endes bleibt auch der Bereich meiner weiblichen Fortpflanzungsorgane ein Teil meiner Identitätsfindung. Nach Jahrzehnten des Maskings, das mich ausgezehrt hat, versuche ich nun, zu mir selbst zu finden. Und das ist gar nicht so einfach.
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