Selbstwert

Ich habe lange nicht geschrieben, weil ich nicht die Kraft dazu hatte. Eigentlich fühle ich mich auch jetzt gerade sehr ausgelaugt, müde und überstimuliert. Trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, brauche ich irgendwie ein Ventil, um meine Gedanken und Gefühle zu verarbeiten.

Das Thema Selbstwert ist schon immer eine Berg- und Talfahrt bei mir. Ich schwanke immer wieder zwischen Selbstüberschätzung („das könnte ich auch!“) und Selbsthass. Dabei kann ich eigentlich meine Stärken und Schwächen relativ realistisch einschätzen. Das Gefühl ist trotzdem etwas anderes. Ich kann wissen, dass ich zwei Hochschulabschlüsse geschafft habe und noch nie ein Arbeitgeber unzufrieden mit meiner Leistung war und gleichzeitig das Gefühl haben, nichts auf die Reihe zu bekommen und keine Ahnung von irgendwas zu haben.

Es gibt Phasen, da bin ich im Flow: ich arbeite intensiv und habe ein generell gutes Gefühl dabei. Ich habe den Eindruck, etwas zu schaffen und bin relativ zufrieden mit mir selbst (auch wenn mir meine Fehler immer extrem peinlich sind). Doch dann kommt ein gemischtes Feedback meiner Schüler:innen oder eine verhaltene Reaktion von Kolleg:innen oder Vorgesetzten und ich bin ein Häufchen Elend.

Ich weiß, dass ich zu selbstkritisch bin, dass ich mir Dinge zu sehr zu Herzen nehme. Ich weiß, dass ich Dinge hinter mir lassen und nicht persönlich nehmen sollte. Ich weiß, dass mein Wert als Mensch nicht an meiner Leistung hängt. Ich weiß, dass ich eigentlich nicht völlig unfähig bin. Das ändert dennoch gar nichts an dem nagenden Gefühl der Nutzlosigkeit und Wertlosigkeit.

Ständig denke ich, dass ich anderen komplett auf die Nerven gehe und ihnen ihre Zeit stehle. Dass ich peinlich und erbärmlich bin und niemand meine Gesellschaft ertragen müssen sollte. Wenn ich wieder pedantisch auf einem Detail rumreite, wenn ich wieder eine nervige Nachfrage stelle, wenn ich einfach nicht aufhören kann zu reden, wenn ich ausraste, weil eine Kleinigkeit nicht wie vorhergesehen gelaufen ist, wenn ich Panik habe irgendwo anzurufen…

Kürzlich habe ich „Unmasking Autism“ von Dr. Devon Price fertig gelesen (dazu irgendwann ein separater Post). In der Arbeit mit dem Buch habe ich herausgefunden, dass Scham und Menschenfurcht meine Hauptmotivationen zum Masking sind. Ich schäme mich so sehr für mich selbst, dass ich nicht glauben kann, dass irgend jemand mich um meiner selbst willen lieben könnte. Ich habe früher viele Menschen unwissentlich verletzt und will das einfach nicht. Niemand soll sich wegen mir schlecht fühlen. Deshalb ist „people pleasing“ für mich so wichtig. Ich möchte keinen Anstoß erregen, niemandem Umstände bereiten, niemanden verletzen.

Und doch passiert es ja immer wieder. Ich bin anstrengend. Meine Marotten, meine Befindlichkeiten, mein Essverhalten, meine Überzeugungen – immer wieder stoße ich Menschen vor den Kopf oder bereite ihnen eben doch Umstände. Viele wollen mir gerne entgegen kommen und Rücksicht nehmen, sie machen das freiwillig. Aber das einfach anzunehmen fällt mir sehr schwer. Ich glaube nicht, dass ich ihre Güte (oder gar Liebe) verdient habe.

In der Vergangenheit hat mich das immer wieder in toxische Beziehungen gebracht. Ich habe viel zu viel mit mir machen lassen und habe große Probleme damit, Grenzen zu setzen und meine Bedürfnisse zu kommunizieren. Ich nehme mir vor, gnädiger mit mir zu werden und gesunde Grenzen setzen zu lernen. Allerdings gehe ich davon aus, dass das ein harter, langer und steiniger Weg wird. Auch muss ich lernen, wieder auszuhalten, dass mich eben nicht alle mögen. Dass ich es nicht allen rechtmachen kann. Oh dear…

Comments

Hinterlasse einen Kommentar

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Jetzt starten